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Das Debüt



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Bericht

 


Das Debüt der Jungen Kammerakademie Berlin-Brandenburg im Tertianum

Sinfoniekonzert am 3. März 2011 im Atrium der Tertianum Residenz, Passauer Straße 5 -7, Berlin
Schon der Saal mit seinen kuriosen geometrischen Formen wie ein antikes römisches Kolumbarium bestimmte die Kulisse für ein eindrucksvolles musikalisches Ereignis

Copyright © Sigi Kaufmann
- 26 jugendliche Musiker und ihr neunzehnjähriger Dirigent Jens Albrecht aus Potsdam haben hier ihren Traum erfüllt, ein volles Sinfonieorchester mit Streichern, Holzbläsern, Blech und Perkussion aus der Taufe zu heben.Sie spielten hier zumeist für Personen in ihrem "dritten Lebensabschnitt", nach denen das Tertianum benannt ist. Sie lieferten damit den überwältigenden Beweis, dass klassische Musik in Deutschland nicht nur lebt und gedeiht, sondern dass eine neue Generation hervorragend begabter Nachwuchsmusiker bereits in den Startlöchern wartet.
Die jungen Künstler haben das Projekt selbst organisiert, eine Homepage eingerichtet, einen Förderverein ins Leben gerufen und an drei Wochenenden intensiv für das Debüt geprobt, Senioren mit ihren ersten zwei Konzerten erfreut - und alles ohne das geringste Entgelt. Sie wachsen jedoch mit jedem Konzert in ihre Rolle als ausübende Künstler hinein, stellen sich dem Publikum und der Kritik und erweitern ihren Lebenslauf mit achtbaren Ereignissen - alle diese Vorteile sind unbezahlbar!
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Wohlweislich wählten sie zum Programmstart ein Werk aus dem französischen Repertoire, das sich mit seiner C-Dur-Tonart, alt-erprobten Modulationen und gradueller Steigerung für ein anschauliches, kristallklares Dirigat vorzüglich eignete - zudem ist Étienne-Nicolas Méhuls Ouvertüre zur Oper "Joseph in Ägypten" eine ausgesuchte Rarität in deutschen Konzertsälen. Wer die klassischen Bildnisse Napoleons von Jacques-Louis David kennt, kann sich die ausgewogene, schlichte und elegante Form von Méhuls Kompositionen gut vorstellen. Hätte der Dirigent bei diesem Werk einen Lorbeerkranz getragen, hätte er den Geist dieser Epoche gut eingefangen.

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Bemerkenswert war, dass nur 13 Streicher die mächtigen Bläser mit sattem Klang aufwiegen konnten und damit den abgerundeten sinfonischen Wohlklang des Ensembles erzielten.
Als glänzenden Abschluss hatte Jens Albrecht die 3. Sinfonie Es-Dur Ludwig van Beethovens, die "Eroica" ausgewählt, die im Erstdruck 1806 mit der italienischen Widmung "um das Andenken eines großen Menschen (od. Mannes) zu feiern" erschienen war. Forsch und zügig wie ein Feldherr führte er durch das Allegro con brio mit einer Klangfülle, die niemand erwartet hätte von nur 26 Musikern. Gekonnt vermied er jedes tragische Pathos im Trauermarsch, gestaltete das Scherzo als filigranes, fast durchsichtiges Gewebe, welches zu den warmen, leuchtenden Hornrufen einen wunderschönen Kontrast bildete. Wer schon einmal mit Streichern gearbeitet hat, musste höchst beeindruckt sein von der Präzision des Pizzicatos im Finalsatz - noch weit mehr aber von dem heroischen Kampf mit den Fugato-Variationen des Prometheus-Themas, wobei das Team zeitweise bis hin zum Einsatz von Solisten ausgedünnt wurde. Durchweg zu bewundern war dabei das souveräne Spiel des Konzertmeisters Gabriel Uhde und der Violoncellistin Majella Münz.
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Lebhafter Schlussapplaus gab Besuchern viele Minuten Zeit zum Nachdenken über diese vorzüglich ausgebildeten, idealistischen Nachwuchstalente. Das gegenwärtige Idyll war in Wirklichkeit die Vorwegnahme eines Traums, einst einem angesehenen Berufsorchester anzugehören - trotz gnadenloser internationaler Konkurrenz und schrumpfenden Fördertöpfen. Die Alternative wäre, zu den Tausenden musikalischer Tagelöhnern zu gehören - eine Probe, eine Aufführung - wie sie schon Beethoven dienten und wie sie sich jedes Wochenende bei den Kantoren für Kantaten und Oratorien verdingen. Kein Zweifel, Jens Albrecht hat das Zeug, um ein erfolgreicher Kapellmeister zu werden - ist er doch selbst in der Lage, sich die Voraussetzungen dafür zu schaffen wie bei der Gründung der Jungen Kammerakademie. Dass seine Gedanken stets um seine Musik und seine Musiker kreisten, war offensichtlich; selbst den Blumenstrauß, den ihm das Haus gestiftet hatte, überreichte er in einer galanten Geste dem vierzehnjährigen Nesthäkchen des Orchesters bei den zweiten Geigen.
Das Sahnehäubchen, dass die jungen Künstler ihr begeistertes Publikum mit einem aufwändigen und eleganten Zeremoniell an Verbeugungen und Zugaben erfreuten, blieb aus - doch niemand nahm es natürlich übel, dass der Dirigent mit einem verträumten Blick in die Ferne auf seinem Podium ausharrte, bis der Beifall verklungen war. Ob Zugaben bei Puristen als eine Art ablenkende Nachspeise gelten, welche den Nachgeschmack des Hauptgerichts nur verderben, oder ob lediglich die Zeit fehlte, um eine Zugabe vorzubereiten - wir wissen es nicht. Aber wir können ausrechnen, was das gleiche Konzert, in höchster Vollendung nach dem Studium durch Steuern und Sozialabgaben zahlende Jungprofis in der Zukunft aufgeführt, einmal kosten würde. Die dankbaren Zuhörer im Tertianum jedenfalls spendeten dem Orchester ganze 237 Euro. Dieses Debüt darf als ein voller Erfolg und ein großzügiges Geschenk betrachtet werden - auf beiden Seiten.
Ingo Bathow

Korrespondentin
Gesine Westphal
Gesine Westphal
Gesine Westphal
steht am Start ihres Studiums in Potsdam
mit dem Ziel einer
Karriere im Wirtschaftsjournalismus
Impressum
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2003-2011
Sinfoniekonzert am 3. März 2011 im Atrium der Tertianum Residenz, Passauer Straße 5 -7, Berlin
Text: Ingo Bathow
Fotos von Sigi Kaufmann