21.
Erlanger Universitätstage in Ansbach
über das Verhältnis von Kultur und Religion
Wie
China nach den alten Wurzeln gräbt
Der Sinologe Michael Lackner erläuterte,
wie der Staat in Traditionen neue Identität sucht
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ANSBACH
Nichts ist verdrängter als die unmittelbare Vergangenheit.
Bei den 21. Erlanger Universitätstagen in der Alten Bibliothek
des Ansbacher Schlosses führte Professor Dr. Michael Lackner
mit seinem Vortrag Die Renaissance der chinesischen Kultur
Erfindung oder Rückbesinnung? verblüffende
Fakten an: Kommunistische Machthaber, die unlängst noch alle
religiösen Inschriften aus Tempeln und Stelen entfernen ließen,
vollziehen nun rituelle Opferzeremonien am Grab des
mythischen Gelben Kaisers. Und das Volk opfert den Verstorbenen
per Mausklick auf Cyber-Friedhöfen
virtuellen Weihrauch und Kerzen, leicht abzubuchen per Kreditkarte.
Das
Geheimnis hinter den scheinbaren Widersprüchen sieht der Sinologe
in der echt chinesischen Variante der Staatsreligion,
was anders als bei uns bedeutet: Der Staat ist die Religion. Nicht
das Credo zählt, sondern die Orthopraxie, die Einhaltung
korrekter Verhaltensregeln, die dem Staat dienen und ihn stärken.
Hat die Demokratie die westlichen Mächte stark gemacht, kann
ihre Übernahme erwogen werden als Modernisierungsagentur
kann selbst westliche Religion eine Rolle spielen.
Wie
aber findet man nach dem Kahlschlag von Maos Kulturrevolution
wieder die Wurzeln, die das starke China bis in die Vorgeschichte
einigen? Wie findet man zu den Aufführungspraktiken der 6000
chinesischen Opern zurück, die bis auf acht Bearbeitungen
durch Maos Ehefrau alle verboten waren? Lackner, der mitsamt seiner
chinesischen Frau einen unmittelbaren Einblick besitzt, registriert
eine starke Wiederannäherung an ehemalige Todfeinde,
Emigranten in Übersee und in Taipei, die 1949 vieles mit sich
nahmen, was die Essenz chinesischer Macht und Kultur bedeutete.
Fast
humorvoll wirkt, wie die Chinesen sogar Elemente aus dem westlichen
Bild von China in ihre Identität aufgenommen haben nicht
nur den Shaolin-Kult Hollywoods. Es war ein Engländer, der
1925 die Welt und China darauf hinwies, wer eigentlich
das Schießpulver, den Kompass, das Papier und die Buchdruckerkunst
zuerst erfunden hatte. Es war der Westen, der die Große Mauer
als kulturelles Erbe verherrlichte, als die Chinesen nur das unsägliche
Leid des Mauerbaus in Erinnerung hatten.
Der
Drang nach Suprematie zeigte sich dem Referenten auch
im Widerwillen der Chinesen, wie die übrigen Menschen von Afrikanern
abzustammen nein, der Peking-Mensch war den übrigen
schon im Pleistozän im Gebrauch von Waffen, Werkzeugen, vielleicht
auch Stäbchen überlegen.
Natürlich
ist uneingeschränkte Technik- und Wissenschaftsgläubigkeit
siehe die Taikonauten Teil der Staatsreligion,
laut einem Zuhörer vielleicht auch die Geburtenkontrolle. Alles
nach der Entpolitisierung zu subsumieren unter dem Begriff der wieder
aufblühenden chinesischen Kultur. Ingo
Bathow
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