Freitag, 1. April 2005
Feuchtwanger Pianofestival: Konzert mit Nikola Paskalov
Wechselbad der Emotionen
Der mazedonische Pianist brilliert mit Chopin und Rachmaninov
FEUCHTWANGEN - Lebhaft ging es zu
beim Pianofestival am Mittwoch in der Stadthalle Kasten. Viel
Jugend, intensiver Meinungsaustausch in den Pausen, laut hörte
man jemand sogar die eingängigsten Themen pfeifen. Passee
war das globale fränkische "schee war's" - das
Publikum zeigte deutlich, welche Stücke gefielen. Auch in
dieser Hinsicht hat Peter Feuchtwangers Arbeit Früchte getragen.
Nikola Paskalov brachte aus Mazedoniens Hauptstadt
Skopje das gewaltige kulturelle Erbe der Donaumonarchie mit -
beinahe buchstäblich, saß doch sein in Budapest mit
sudetendeutschen Wurzeln geborener, in Zagreb zum Komponisten
ausgebildeter Großvater Nikolaus Grassl im Publikum. Und
er sollte in diesem Konzert eine denkwürdige Hommage erhalten.
Ein verregneter Winter auf Mallorca in einem gespenstischen Kartäuser-kloster
hatte dagegen jenes musikalische Universum inspiriert, mit dem
Paskalov seine künstlerische Visitenkarte ablieferte: Fréderic
Chopins "24 Préludes" reflektierten Bachs "Wohltemperiertes
Klavier" nur bis zum Aufbau in allen Dur- und Molltonarten
des Quintenzirkels. Was die Zeitgenossen entsetzte - minuten-schnelles
Wechselbad der Emotionen vom dämonischen Raunen bis zum Ritt
auf schaukelnden Glückswellen, vom trübsinnigen Trommeln
der Regentropfen bis zum graziös tänzelnden Andantino
- kam modernen Hörgewohnheiten und Aufmerksamkeitsspannen
perfekt entgegen.
Paskalov brillierte als Lichtbildner polychromer Strukturen, brachte
Melodiebögen und Motive mit sanfter Intensität zum Leuchten,
weniger im Sinne von Belcanto als mit instru-mentellen Färbungen
ähnlich einer Celesta. Kongenial, fast von Chopin hineinkomponiert
wirkte ein totales Blackout in den Triolen des 20. Prélude
Es-Dur.
Nicht hoch genug einzuschätzen ist der Stellenwert der Feuchtwanger
Premiere der Choralfantasie über den Choral Nr. 3 aus der
"Matthäuspassi-on" von Nikolaus Richard Grassl.
Ein historisches Dokument aus einer Zeit, als die Bitonalität
eines Darius Mil-haud im Schwange war, blitzte der berühmte
absteigende h-Moll-Duktus von "Herzliebster Jesu, was hast
du verbrochen" in einem brausenden Fugengeflecht - mit Dux
und Comes im Abstand einer übermäßigen Quart -
immer wieder auf, durch eindringliche rhythmisch-dynamische Steigerung
erreichte die "Passion" eine fast filmi-sche Plastizität,
um leise mit kleiner Terz, quasi dem Neigen des Hauptes zu enden.
Gesteigerter Applaus für den Enkel galt auch dem Komponisten.
Respekt einflößend die b-Moll-Sonate von Sergej Rachmaninov
in der konzisen, etwas entromantisierten Version von 1931 mit
Jubel nach dem furiosen Finale von den Kennern auf der Empore.
Im Nichts einer unaufgelösten Kadenz verklang die Zugabe,
Chopins a-Moll-Mazurka, nachdenklich stimmend nach fast surrealistischen
Modulationen. Als angemessenste, tiefsinnigste Antwort nach einem
bewegenden Abend verklärten Herzeleides verblieb - das Schweigen.
Ingo Bathow